#5: Fenster Nummer fünf – ein seltener Luxus

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Hinter der heutigen Lücke finden wir:

Schreiben einen Brief an jemanden, den du vermisst.

Hinter dem Haus, in dem ich aufwuchs, gab es eine große Plantage von Hagebuttensträuchern, durch die wir Kinder kleine Gänge hatten. Eines Tages, als ich sechs Jahre alt war und wie üblich im Zickzack durch die Büsche in Richtung Spielplatz streifte, stand am Ende der Sträucher ein Mädchen von der gleichen Größe wie ich da. Sie hatte ganz weißes Haar und nette Augen, die mich ein wenig schüchtern ansahen. Seit diesem Tag war Jessica meine beste Freundin und wir sind einander durchs Leben gefolgt.

Wir wuchsen in der gleichen Gegend auf, waren in der gleichen Klasse und trafen uns jeden Tag. Als wir fünfzehn waren, bekam ihr Vater einen Job in einer anderen Stadt und sie zogen ungefähr 400 km weg. Es war die erste große Traurigkeit meines Lebens, aber wir riefen uns jeden Tag an, immer zur gleichen Zeit. Darüber hinaus schrieben wir uns mehrere Briefe pro Woche, die ich immernoch habe. Heute lebt sie mit ihren drei Kindern im gleichen Alter wie meine in Stockholm, und obwohl wir uns nicht mehr jeden Tag hören, geht derselbe Dialog weiter, der seit dreißig Jahren geführt wird, und ich hoffe, noch viele, viele Jahre mehr.

Manchmal denke ich darüber nach, wie schön es wäre, wenn wir wieder nah beieinander leben würden, es ist so besonders mit Freunden, die alles über dich wissen und du kannst einfach dort weiterreden wo du zuletzt aufgehört hast. Heute bin ich diejenige, die einen Brief an Jessica schreibt, kann mich eigentlich nicht erinnern, wann ich das zuletzt gemacht habe. Etwas, das uns vor zwanzig Jahren so natürlich war, ist zu einem seltenen Luxus geworden.

Wer bekommt deinen Brief?

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