Die schönste Zeit des Jahres ist hier

Ich habe Elisabeth gerade zur Schule geschickt, Julius ist mit etwas Fieber zuhause. Der Rest der Familie schläft noch eine kurze Weile. Das Haus ist so ruhig, wie es sonst fast nie ist, und das gibt meinen Gedanken Zeit, sich ein wenig auszudehnen. Ich habe irgendwo gelesen, dass die Corona-Krise bis hierhin viele Schweden im Allgemeinen glücklicher gemacht hat. Später werden sicherlich andere Informationen kommen, wenn die wirtschaftlichen Konsequenzen klarer werden und die Ängste vielleicht noch greifbarer werden. Aber für viele, auch für uns, hat sich das Leben etwas beruhigt. Fast nichts geschieht, weil so viel eingestellt wurde. Das ewige Jonglieren von Aktivitäten, Arbeit und gesellschaftlichen Treffen wurde gedämpft, die Anforderungen sind so viel geringer. Das Einzige Wichtige wird immer klarer, dass wir zusammenhalten und dass es meiner Familie gut geht.

Ich denke, wir setzen mit den Lichtblicken im Alltag von gestern fort. Wie so oft hier im Norden ist der Frühling in sehr kurzer Zeit explodiert. Zuerst ist es trübe, tot und trostlos für sechs Monate und dann kommt das ganze Grün und die Vegetation in ein paar Tagen und verändert die ganze Stimmung. Jetzt ist die schönste Zeit des ganzen Jahres da. Unsere kleine Stadt ist komplett eingebettet in schieres Blätterwerk, Tulpen und Kirschblüten. Oder wie hier, diese Traubenkirsche, die uns begrüßt, wenn wir die Tür öffnen.

Bei unserem Nachbarn, der ein sehr schöner Park mit mehreren hundert Jahren auf dem Buckel, ist die Aktivität wirklich im Gange.

Die Magnolie ist in voller Blüte, noch ein paar mehr zitternde Tage.

Der Kiesweg wird von den niedlichen Rentnern, die sich um den Park kümmern, ordentlich gerecht. Und so haben sie natürlich Frühlingszwiebeln gepflanzt.

Letzte Woche haben wir ja wie bekannt unseren Hochzeitstag gefeiert. In Österreich und vielleicht auch in den anderen deutschsprachigen Ländern feiert man offenbar die Rosenhochzeit…

… aber in Schweden wird der 10. Hochzeitstag Zinnhochzeit genannt. Ich habe ein Paar sehr schöne Zinnkerzenständer anno 1934 von Mario bekommen. Und ein kleines Paket aus meinem Lieblingsladen, Svenskt Tenn. Konnte nicht besser werden.

Am Hochzeitstag selbst regnete es, genauso wie an unserem Hochzeitstag vor zehn Jahren. Aber wir hatten meine Eltern als Babysitter und gegen Abend klärte es sich auf, so begaben wir es uns auf einen Spaziergang durch ein ödes Göteborg. Im Bältesspännarparken fühlte es sich an, als wären wir in Amsterdam gelandet.

Könnt ihr spüren, wie frisch die Abendluft nach dem Regen ist?

Einer der besten Orte Göteborgs, wenn man mich fragt, der Stadtpark Trädgårdsföreningen. Ich mag den Kontrast zwischen dem neuen und dem alten Schild hier am Eingang. Es ist ein herrlicher Park aus der Jahrhundertwende, mit großen antiken Gewächshäusern, die mit tropischen Pflanzen gefüllt sind, und dann gibt es ein schönes Café, Spielplätze und unglaubliche Bepflanzungen natürlich. Eine perfekte kleine Oase mitten im Zentrum.

Letzten Sonntag waren wir auf Orust, um unsere kleine Baustelle dort zu überprüfen. Die Kinder drehten eine kleine Runde auf der Fähre auf dem Weg nach Orust und wir fühlten, dass der Sommer ganz in Reichweite war.

Unser Kirschbaum, den wir letztes Jahr gepflanzt haben, blüht schon in diesem Jahr und der Ausbau ist langsam fertig, zumindest äußerlich. Wir haben alte Fenster und Türen gekauft, damit es sich gut in den ursprünglichen Teil einfügt.

Drinnen sieht es im Moment so aus. Nicht ganz fertig vielleicht, aber eine schöne alte Tür an Ort und Stelle. Liebe es, dass die Schwelle nach all den Jahren in seinem letzten Haus so abgenutzt ist. Es wird so schön werden. Hoffe ihr habt einen guten Tag. ♡

Göteborger Riemenfabrik – ein unerwarteter Erfolg

An diesem Wochenende waren die Kinder und ich in Göteborg unterwegs. Zufällig sahen wir einen schönen kleinen Innenhof und ein Schild mit dem Text „offen“ das uns durch ein grünes Tor lockte.

Als wir eintraten, schleuderte es uns direkt hundert Jahre zurück in der Zeit. Wir waren in Göteborgs Remfabrik gelandet, die heute ein Museum und Zentrum für Textilkultur ist. Zudem eines der am besten erhaltenen Industriegeschichtlichen Milieus Schwedens aus dem frühen 20. Jahrhunderts. Es sah so aus, als ob die Angestellten einfach ihre Werkzeuge weggelegt und Feierabend gemacht haben.

Es gab so viel für die Kinder zu entdecken!

Spannende Maschinen…

…alte Gebrauchsgegenstände…

und ungewöhnliche Geräusche und Gerüche.

Große Säle mit rustikalen Holzböden, abgenutzten Kalksteintreppen und Wände voller Erinnerungen.

Oder wie hier, das Büro des Vorarbeiters, so hinterlassen wie es an seinem letzten Arbeitstag aussah. Im Museum arbeiten echte Enthusiasten, die sich leidenschaftlich für die Erhaltung des Wissens der älteren mechanischen Textilindustrie einsetzen. Sie warten und reparieren die Maschinen, aber sie verwenden sie auch, um verschiedene Produkte zu produzieren, die dann in ihrem kleinen Geschäft verkauft werden.

Die Kinder durften versuchen zu weben. Elisabeth war wirklich gefesselt davon und webte methodisch eine Reihe nach der anderen, während das hilfsbereite Personal ihr zujubelte.

Julius durfte auf einer großen Leiter weben und dachte, wir sollten eine ähnliche für Orust in diesem Sommer arrangieren.

Wir bekamen eine Demonstration von einer Schnürmaschine. Sowohl ich als auch die Kinder stellten fest, dass wir nie darüber nachgedacht haben, wie eine Schnur hergestellt wird. Der nette Mann schnitt den Kindern je ein Stück Schnur ab, die sie andächtig entgegen nahmen.

Wir haben auch gesehen wie ein mechanischer Webstuhl funktioniert und der Lärm war wirklich ohrenbetäubend. Wir haben versucht uns vorzustellen wie das Arbeitsumfeld gewesen sein muss, als dort alle Maschinen gleichzeitig gelaufen sind. Der Guide erzählte uns von einer anstrengenden, lauten und staubigen Arbeit. Im Winter war es zudem eiskalt in den unbeheizten Räumen. Der Arbeitsschutz war unzureichend, es fehlten Personalräume und das Gehalt war niedrig. Trotzdem fühlten sich die Mitarbeiter wohl und blieben viele Jahre dort, laut alten Interviews mit den Angestellten.

Unser ungeplanter Besuch war wirklich ein Erfolg! Die Kinder wollten sich nicht mehr von den Maschinen losreißen, aber am Ende mussten wir doch gehen, jedoch mit neuem Wissen und neuen Einsichten. Als wir nach Hause kamen, nadelten die Kinder ihre Schnüren in ihren Zimmern an die Wand. Sie hatten etwas Großartiges erlebt: „Wir waren dabei, als diese Schnur gemacht wurde, Mama.“ ♡

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